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Haushaltsplanentwurf 2016 -

Rede des Fraktionsvorsitzenden Walter Gertitschke

gehalten in der Kreistagssitzung am 10. Dezember 2015

Sehr geehrter Herr Landrat,

sehr geehrte Damen und Herren,

heute möchte ich über zwei Dinge reden: Geld und Wertschätzung.

Ich möchte nicht nur vortragen. Ich hoffe vielmehr, dass wir nach der Sitzung hierüber miteinander ins Gespräch kommen.

Zum ersten, dem Geld, werde ich gar nicht viel sagen.

Geld hat man zu haben! Diese Weisheit gilt für den Märkischen Kreis nur, weil derzeit kommunale Kredite unvergleichlich zinsgünstig sind. Doch wir haben Schulden. Nach dem Eckdatenpapier immer noch den höchsten Schuldenstand der Kreise im Regierungsbezirk Arnsberg.
Und trotz dieser hohen Schulden wagen wir aus Gründen der kommunalen Rücksichtnahme zwei Dinge. Einerseits wird die Kreisumlage nicht angehoben und andererseits ist bereits angekündigt, eventuelle Einsparung bei der Landschaftsumlage an die Kommunen weiterzugeben.
Mehr geht nicht. Der Kreis lebt seit langer Zeit mit der Haushaltskonsolidierung. Stellenabbau und Überprüfung von freiwilligen Leistungen begleiten uns seit Jahren als ständige Aufgabe. Die Zitrone ist ausgepresst.
Wir dürfen aber nicht mehr abbauen, als es die Lebensumstände einfordern. Nur so können wir einen lebenswerten Raum erhalten, um weitere Abwanderung in attraktivere Regionen zu vermeiden.

Für die Details verweise ich auf meine bisherigen Haushaltsreden.

Nur noch eines zum Thema Geld: Die Einwohnerveredelung in den Ballungsräumen. Die bevorzugte Verteilung von Mitteln an die kreisfreien Städte führt natürlich dazu, dass diese dort auch ausgegeben werden. Dies als Indikator für einen tatsächlich höheren Bedarf zu bewerten, bedeutet letztendlich Fehlanreize zu schaffen.

Ich habe ja ein gewisses Verständnis für diese strategische Entscheidung. Die SPD will ihre vermeintlichen Hochburgen und ihr Wählerklientel bedienen.
Das ist Marketing und als solches auf den ersten Blick legitim. Doch leider ist die Landesregierung kein Unternehmen mit eigenen Finanzmitteln, es hat einen nicht verhandelbaren Auftrag. Und der lautet in der Präambel der Landesverfassung, Gerechtigkeit und Wohlstand für alle zu schaffen.

Ich beziehe mich auf den LWL- Direktor Dr. Matthias Löb, der hinsichtlich der Metropolregionen im Landesentwicklungsplan warnte: Aus Westfalen darf nicht Restfalen werden!
Herr Dr. Löb, danke für Ihre klaren Worte. Ich fürchte nur, mit Blick auf die Einwohnerveredelung leben wir schon längst in Restfalen.

Aber nun zum zweiten Teil, dem Teil über die Wertschätzung.

Mehrfach wurde es in der Presse erwähnt: Die Aufwandsentschädigung für Rats- und Kreistagsmitglieder soll um zehn Prozent erhöht werden. Und sogar der Bund der Steuerzahler ist damit einverstanden. Es sei vor dem Hintergrund des demographischen Wandels schwer, Menschen für die Mitarbeit in kommunalen Gremien zu gewinnen.

Zumindest für die Mitglieder unserer Fraktion kann ich Ihnen versichern: Zehn Prozent mehr Geld interessieren uns nicht. Was uns bei der täglichen Arbeit wirklich behindert, ist fehlende Wertschätzung.Eine schriftliche Anfrage wurde erst nach rund vier Wochen beantwortet. Hier fehlte uns beispielsweise eine unaufgeforderte Zwischenmitteilung aus der fachlich zuständigen Abteilung.

Rückfragen in den Fachausschüssen sind nicht gern gesehen. Überhaupt ist eine Tendenz zu beobachten, Sitzungen so schnell wie irgend möglich abzuarbeiten. Zeitvorgaben an externe Referenten, die extra auf Antrag einer Fraktion eingeladen wurden, machen die Vertiefung eines Themas zur Farce!
Sie konterkarieren das gesetzliche Idealbild der öffentlichen Ausschusssitzungen. Für die Herstellung der Öffentlichkeit ist es notwendig, etwas tatsächlich auszusprechen.
Rede und Gegenrede!
Bloße Verweise auf fraktionsinterne Arbeitskreise sind nicht ausreichend.

Von uns zu verlangen, unsere Mitglieder in der Redezeit zu beschränken, empfinde nicht nur ich als Beleidigung!

Bei solchem Umgang mit ehrenamtlichen Kommunalpolitikern wundert es nicht, dass Räte und Kreistage kein Abbild unserer Gesellschaft mehr darstellen. Wen wundert dann noch das geringe Interesse an gesellschaftspolitischen Fragen im Allgemeinen.

Leider fehlt die Wertschätzung auch an höherer Stelle. Das Schreiben der Regierungspräsidentin, mit der Bitte Flüchtlinge unterzubringen, als Amtshilfeersuchen auszugestalten und Vollzugsmeldung bis zum Termin xy zu verlangen, ist unverfroren. Und selbst mit Informationen geizt das Land. Zwei Informationsveranstaltungen der Bezirksregierung Arnsberg zum Thema Flüchtlinge wurden kurzfristig abgesagt. Zur Begründung heißt es, und ich darf hier aus dem Schreiben der Bezirksregierung Arnsberg zitieren: „Insgesamt hat sich bei mir in den letzten beiden Tagen der Eindruck verfestigt, dass eine Informationsveranstaltung für die Kommunen zum jetzigen Zeitpunkt mehr Fragen aufwirft als beantwortet“.
Dies erscheint mir wie eine neue Variante des Spruchs „Ein Teil der Antwort wird sie verunsichern“.

Uns interessiert z.B. die Frage der Kostenerstattung an die kommunale Familie. Gibt es monatliche Auszahlungen –wie von kommunalen Spitzenverbänden gefordert- bereits 2016?

An dieser Stelle „Danke“ an Landrat Thomas Gemke persönlich, der sich stets über alle Facetten dieser Problematik informiert.

Und auch meinen Respekt und ein Danke an alle Ehren- und auch Hauptamtlichen, denen es zu verdanken ist, dass die Menschen wortwörtlich schnell ein Dach über dem Kopf erhalten haben.

Ich möchte zum Abschluss noch ein paar Worte über das Thema Inklusion verlieren, weil auch dies untrennbar mit Wertschätzung verbunden ist. Ausgerechnet bei einer Expertenanhörung im Landtag zum Gesetzesentwurf zur Stärkung der sozialen Inklusion fehlten Gebärdendolmetscher. Ein geladener Experte sah sich deshalb nach einiger Zeit gezwungen, ein Plakat mit der Aufschrift „Ich bin taub“ in die Höhe zu halten.

Dieser Vorfall hat mich aus mehreren Gründen schockiert. Zum einen wegen der Ohrfeige an alle Beschädigten, zum anderen wegen der Aussage der Landtagssprecherin Wibke Busch, man habe sich leider vergeblich um Gebärdendolmetscher bemüht. So leicht darf man es sich nicht machen! Stattdessen will man jetzt einen Extra-Termin für Behinderte anbieten.

Doch so geht es nicht! Da hat jemand wohl offensichtlich die Behindertenrechtskonvention nicht verstanden. Es geht doch gerade darum, Parallelwelten abzuschaffen.

 Aus diesem Grund verlange ich hier und jetzt ausdrücklich, dass zukünftig alle Sitzungen der Fachausschüsse im Kreishaus Lüdenscheid stattfinden. Nur hier ist eine ausreichende Mikrofonanlage vorhanden, um etwaige Hörfehler bestmöglich zu kompensieren. Für eine mobile Lösung zur Unterstützung bei erforderlichen Ortsterminen bin ich offen. Aber ersparen Sie uns bitte die Peinlichkeit des ewigen „ich spreche ja laut genug, wir können auf das Mikro verzichten“.
Ich selbst trage ebenfalls ein Hörgerät. Wir dürfen aber nicht von jedem Beschädigten verlangen, sich über Art und Umfang seiner Beschädigung erklären zu müssen.

Auch das ist Rücksichtnahme und angemessen.

Abschließend ist es mir wichtig, mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreisverwaltung zu bedanken. Dieses komplexe Zahlenwerk zusammenzutragen, aufzuarbeiten und schließlich noch zu erläutern, ähnelt einer Sisyphusarbeit. Danke an dieser Stelle!

Nun wollen wir es zu einem guten Ergebnis bringen. An dieser Stelle signalisiere ich bereits unsere Zustimmung zu diesem Haushaltsplanentwurf.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien auch weiterhin eine gesegnete Adventszeit und ein Frohes Fest.

 

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